Musik verbindet Generationen
Ein Sonntag, irgendwann im Juni diesen Jahres: Wie fast jeden Sonntag, sitze ich auch an diesem Tag bei meinen Eltern zum Frühstück und ich (m31) rede mit meinem Vater (59) über die Ereignisse der Woche. Irgendwann kommen wir auf das Thema Musik zu sprechen und die alten Zeiten, als ich als Heranwachsender ihn bei seinen Liefertouren (mein Vater führte eine Zeitlang einen Fischgroßhandel) begleitet habe. Die Musik die meistens lief war entweder Deep Purple oder Led Zeppelin. "Deep Purple habe ich vor 40 Jahren mal live gesehen..." meinte mein Vater dann voller Melancholie zu mir. Mein Gedanke: Moment, Deep Purple sind noch aktiv, die haben sogar erst ein gutes Album herausgehauen, das du ihm geschenkt hast. Kurz Handy raus, "Deep Purple Tour 2022 eingegeben". Drei Termine in Deutschland: Berlin, Oberhausen, Stuttgart. "Dad, wir gehen zu einem Deep Purple Konzert. Die spielen dieses Jahr noch in Deutschland". Mein Vater schaut mich verdutzt an, darauf fängt sein Gesicht an zu strahlen. "Jo, machen wir".
Kaum zuhause angekommen, kurz die Tickets gegoogelt: Oberhausen ist um 30€ billiger als Berlin, dazu noch näher dran. Kurze Rücksprache mit Bekannten und Freunden, eine Woche später sind die Karten bestellt: Golden Circle, 100€ pro Person. Mein Vater und ich sind heiß voller Vorfreude.
Sprung zum 02.11. Wir sind auf dem Weg nach Oberhausen mit meinem Auto, damit ich die Spritkosten übernehme. Normalerweise fährt mein Vater, aber er musste an dem Tag schon um vier Uhr raus, also kippte er den Beifahrersitz nach hinten und legt sich ein wenig schlafen, während ich mit 130 gemütlich die einigermaßen befüllte A2 herunterzuckle (das ich aus lauter Gewohnheit das Kreuz Bielefeld glatt überfahren habe war ein weiteres Highlight des Abends).
Ankunft: Mein Vater einigermaßen normal gekleidet, ich in voller Metaller Montur mit Kutte, so wie es sich gehört. Uns beiden sieht man an, dass wir eingermaßen Fit sind (btw. echt krass wie groß der Unterschied bei Menschen mit Ende 50 / Anfang 60 ist). Erste Adresse Merchstand, der noch einigermaßen leer ist. Mein favorisiertes Design ist leider schon ausverkauft, also nehmen wir beide das Tour T-Shirt, und ziehen es direkt drüber. Noch einmal kurz auf Toilette gehen, dann ab in die Halle. Wir sind zwanzig Minuten vor dem Auftritt von Jefferson Starship da und suchen uns einen Stehplatz in optimaler Poistion: Mittig, knapp vor dem ersten Brecher. Perfekt.
Jefferson Starship treten auf, spielen neben ihren eigenen Hits (ich wusste gar nicht dass die soviele Hits in den 80ern und 90ern hatten) mit White Rabbit und Somebody to Love aber auch zwei alte Songs von Jefferson Airplane. Nachdem dem Auftritt waren mein Vater und ich bester Laune und haben uns darüber gewundert warum wir gefühlt die einzigen waren die den Text von White Rabbit von kannten.
Schließlich Deep Purple, die Halle ist voll. Erster Song: Highway Star. Von da an wusste ich, dass das Konzert nur gut werden konnte. Nach Pictures of Home kamen mit No Need to Shout und Nothing at all zwei Songs von dem ihrem neuen Album und nach Uncommon Man dann die Klassiker: Lazy, When a blind man cries, Anya, Perfect Strangers, Space Trukin, Smoke on the Water, Hush und zum Schluss, nach fast zwei Stunden, Black Night. Zwischendurch Keybord-, Gitarren- und Bass Soli, die wie ich finde, immernoch ihres Gleichen suchen. Mein Vater strahlt, bei a blind man cries kommen uns beide die Tränen in die Augen.
Rückfahrt. Mein Vater ist begeistert. Die ganze Fahrt redet er, wie gut der Auftritt war und wie hoch die Spielfreude der Musiker auf der Bühne war, wobei ich ihm nur zustimmen kann: Der Auftritt war mehr als nur Standardprogramm, zwei Stunden, fast jedes Lied wurde durch spontane Keybord-, Bass- und Gitarrensoli ausgedehnt, die einfach verdammt gut waren. Klar, machen die woanders auch, mag jetzt jemand sagen, aber: Zwei Stunden Konzert ohne Pause ist schon verdammt viel, vor allem, wenn man bedenkt, dass vier der fünf Leute auf der Bühne über 70 sind. Wenn ich mit 70 noch so fit bin, dass ich zwei Stunden lang spielen kann, auch mit kleinen Pausen, Respekt.
Und am Tag danach gibt es kein Selfie von uns in der Familien Whatsappgruppe, sondern ein Foto von meinem Dad und mir, wie wir uns in den Armen liegen. Ich hatte spontan ein Pärchen gefragt, ob sie nicht ein Foto von uns schießen könnten, denn ich hasse Selfis.
So oder so, es war einer der schönsten Abende meines Lebens.